Geflügelvermarkter Jonas Paul (Name von der Redaktion geändert) beschäftigt für leichte Tätigkeiten in der Verarbeitungsküche und für den Verkauf im Hofladen drei Aushilfen mit jeweils 10 Wochenstunden. Ab November will er seine Vermarktung ausweiten und zusätzlich Geflügelteilstücke verkaufen. Für den Direktvermarkter stellt sich die Frage, ob es günstiger ist, zwei weitere Aushilfen für jeweils 10 Wochenstunden zu beschäftigen oder eine Arbeitskraft für 20 Arbeitsstunden in Festanstellung. Schließlich ist es aktuell schwierig, zuverlässige Mitarbeiter zu finden.
Mindestlohn und Verdienstgrenze
Der Landwirt spitzt seinen Bleistift und rechnet: Die monatliche Arbeitszeit wird nach folgender Formel berechnet: Arbeitsstunden pro Woche x Faktor 4,33. Mit diesem Faktor rechnet auch die Sozialversicherung (siehe Beitrag „520-€-Jobs“ auf Seite 48). Etwas Bauchschmerzen hat der Direktvermarkter, wie sich ab dem 1. Oktober die Mindestlohnerhöhung auf 12 € je Stunde auswirkt. Er befürchtet, dass der steigende Stundenlohn zu einer Begrenzung des Stundenumfangs führt. Diese Sorge ist unbegründet, der Gesetzgeber hat dafür gesorgt, dass sich die Anhebung des Mindestlohns künftig dynamisch an die Verdienstgrenze für Minijobber anpasst. Dies war bisher fix, so dass die Stundenzahl reduziert werden musste (siehe Übersicht 1). Mit dem neuen Mindestlohn und der Anhebung der Verdienstgrenze sind exakt 10 Stunden in der Woche für Minijobber möglich.
1. Verdienst Minijob
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ab 01.01.2022
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ab 01.07.2022
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ab 01.10.2022
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Mindestlohn
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9,82
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10,45
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12,00
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Verdienstgrenze
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450
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450
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520
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Maximale Stunden/Monat
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45,82
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43,06
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43,33
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Mögliche Stunden/Woche
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10,58
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9,94
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10
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Kalkuliert mit dem neuen Mindestlohn in Höhe von 12 €/h erhalten Pauls Minijobber ab Oktober jeweils ein monatliches Entgelt in Höhe von 520 € (10 x 4,33 x 12 €, siehe Übersicht 3). Hinzu kommen rund 35 % Sozialversicherungskosten: Bei Minijobs gilt die Besonderheit, dass allein der Arbeitgeber diese Beiträge zahlen muss. Neben 14,60 % Krankenversicherung und 18,60 % Rentenversicherung kommen beispielsweise noch Umlagekosten für Lohnfortzahlung, Mutterschutz und Insolvenzgeldumlage hinzu (siehe Übersicht 2). Inklusive der pauschalen Lohnsteuer in Höhe von 2 % muss der Landwirt zusätzlich 162,66 € für jede Aushilfskraft an die Minijobzentrale abführen. Insgesamt ergeben sich monatliche Kosten in Höhe von 682,66 €, pro Jahr summieren sie sich auf 8 191,92 €.
2. Sozialversicherungsbeiträge
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Beitrag
in %
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anteilig AG + AN in %*
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Sonstige Beiträge AN
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Krankenversicherung
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14,6
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7,3 + 7,3
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Pflegeversicherung
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3,05
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1,525 +1,525
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+0,35 %**
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Rentenversicherung
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18,6
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9,3 + 9,3
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Arbeitslosenversicherung
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2,4 %
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1,2 + 1,2
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U1 (Lohnfortzahlung)
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je nach KK
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nur AG
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U2 (Mutterschutz)
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je nach KK
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nur AG
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U3 (Insolvenzgeldumlage)
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0,09
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nur AG
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* Anteilig in % Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ** Zusatzbeitrag für Kinderlose Arbeitnehmer ab 23 Jahren
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Kosten Festanstellung
Für Festangestellte kommen zwar noch die Beiträge zur Pflege- und Arbeitslosenversicherung hinzu. Doch bei einer Festanstellung teilen sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Kosten für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Lediglich die Umlagekosten trägt der Arbeitgeber alleine. Die Umlagewerte variieren je nach Krankenkasse. In unserer Beispielrechnung haben wir die Umlagewerte der AOK Rheinland/Hamburg zugrunde gelegt. Der Arbeitnehmer trägt wiederum alleine die Steuern. Da Teilzeitbeschäftigte oft Hinzuverdiener innerhalb der Familie sind, wählen sie für sich Steuerklasse 5 aus. Für die Beispielberechnung haben wir diese Steuerklasse deshalb ebenfalls zugrunde gelegt. Anders beim Beispiel Vollzeitbeschäftigung mit 40 Wochenstunden, hier setzen wir Steuerklasse 1 voraus. Zum Beispiel Teilzeit: Der Mitarbeiter erhält bei einer 20-Stunden-Woche ein Brutto-Gehalt von 1 039,20 €. Abzüglich der Kosten bleibt ihm bei Steuerklasse 5 ein Nettogehalt von 742,24 €. Für kinderlose Beschäftigte ab 23 Jahren fällt das Nettogehalt noch niedriger aus, da sie zur Pflegeversicherung einen Zusatzbeitrag von 0,35 % zahlen müssen. Für Betriebsleiter Jonas Paul summieren sich bei Teilzeitbeschäftigung monatliche Lohnkosten von 1 275,97 € pro Mitarbeiter. Neben dem Gehalt beinhalten sie rund 237 € Sozialversicherungsbeiträge. Während er für seine Aushilfskräfte ab Oktober, inklusiver aller Nebenkosten, mit Kosten in Höhe von 15,77 € pro Stunde kalkulieren muss, ist die Beschäftigung einer festangestellten Arbeitskraft mit 14,73 € pro Stunde rund 1€ günstiger.
3. Kostenvergleich Minijob versus Festanstellung
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Minijob ab 01.10.20221
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Teilzeit (20 Std./Woche)1,2
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Vollzeit1,3
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Wochenstunden
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10
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20
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40
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Gehalt (Monat)
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520 €
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1039,20 €
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2078,40 €
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Arbeitnehmer Netto
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520 €
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740,19 €
|
1493,22 €
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Arbeitgeberkosten in €
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Krankenversicherung
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67,60
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82,62
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165,23
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Pflegeversicherung
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0,00
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15,85
|
31,70
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Rentenversicherung
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78,00
|
96,65
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193,29
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Arbeitslosenversicherung
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0,00
|
12,47
|
24,94
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U1
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4,68
|
20,78
|
41,57
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U2
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1,51
|
6,86
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13,72
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U3
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0,47
|
0,94
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1,87
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2 % pauschale Lohnsteuer
(nur für Minijobber)
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10,40
|
–
|
–
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Summe
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162,66
|
236,17
|
472,32
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Gesamt pro Monat
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682,66
|
1275,37
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2550,72
|
Gesamt pro Jahr
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8 191,92
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15 304,44
|
30 608,64
|
Arbeitgeber Kosten pro Stunde
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15,77
|
14,73
|
14,73
|
Arbeitnehmer Netto pro Stunde
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12,00
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8,55
|
8,62
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1 Umlagewerte AOK Rheinland/Hamburg, 2 Steuerklasse 5, 3 Steuerklasse 1
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Mitarbeiter fair bezahlen
Der Blick in Übersicht 4 verdeutlicht noch einmal, mit welchen jährlichen Lohnkosten unser Beispielbetrieb ab Oktober rechnen muss: Für seine zwei zusätzlich geplanten Aushilfen mit jeweils 10 Wochenstunden zahlt er pro Jahr 16 383,84 €. Beschäftigt er dagegen eine Teilzeitkraft mit 20 Stunden pro Woche, fallen die Lohnkosten mit 15 311,64 € pro Jahr deutlich geringer aus. Unser Beispiel verdeutlicht aber auch, dass der Minijob mit einem Netto-Stundenlohn von 12 € aus Arbeitnehmersicht deutlich attraktiver ist. Für seinen Teilzeitjob würde der festangestellte Mitarbeiter netto lediglich 8,57 € pro Stunde erhalten (Übersicht 3). Um Missstimmung im Team zu vermeiden, sollten Arbeitgeber darauf achten, dass festangestellte Mitarbeiter netto nicht weniger verdienen als Minijobber. Schließlich können sie auf Grund der höheren Anwesenheit im Betrieb oft viel komplexere und verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen. Doch aufgepasst: Bei höheren Stundenlöhnen steigen die Kosten für den Arbeitgeber. Neben den finanziellen Vorteilen muss Jonas Paul bei der Frage Minijobber oder Festangestellte weitere Aspekte beachten:
- Je mehr Mitarbeiter im Betrieb beschäftigt sind, desto mehr Büroarbeit fällt an. Wer die Abrechnung an ein Lohnbüro vergibt, muss mit höheren Kosten rechnen. Zudem kommen ggf. pro Mitarbeiter Kosten für Bescheinigungen, zum Beispiel Formulare für Ämter, oder auch Krankmeldungen auf. So dürfen sich selbstverständlich auch geringfügig Beschäftigte krankmelden und bekommen das Geld erst einmal vom Arbeitgeber bezahlt.
- Minijobber müssen für jeden Arbeitstag Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit und Pausenzeiten dokumentieren.
- Falls er seinen Minijobbern oder Festangestellten Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge steuerfrei und sozialversicherungsfrei zahlen möchte, muss er die Zeiten genau dokumentieren. Dies wird von Sozialversicherungs- und Steuerprüfungen gerne überprüft, da Mitarbeiter diesen Lohnanteil brutto wie netto und die öffentlichen Kassen davon nichts erhalten.
- Überstunden, die bezahlt werden müssen, sind für Festangestellte kein Problem. Bei Aushilfen besteht die Gefahr, dass sie ab Oktober über die Verdienstgrenze von 520 € rutschen.
- Je mehr Mitarbeiter im Team sind, desto höher ist der Aufwand fürs Anlernen oder Einarbeiten. Auf der anderen Seite sind Arbeitgeber mit einem größeren Team flexibler bei Urlaub und Krankheit aufgestellt.
4. Kosten für den Arbeitgeber
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ab Oktober 2022
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Lohnkosten in €
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Stunden
pro Woche
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pro Monat
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pro Jahr
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1 Aushilfe
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10
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682,66
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8 191,92
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2 Aushilfen
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20
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1 365,32
|
16 383,84
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3 Aushilfen
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30
|
2 047,98
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24 575,76
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4 Aushilfen
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40
|
2 730,64
|
32 767,68
|
5 Aushilfen
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50
|
3 413,30
|
40 959,60
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1 Teilzeitkraft
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20
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1 275,37
|
15 304,44
|
2 Teilzeitkräfte
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40
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2 550,74
|
30 608,88
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1 Vollzeitkraft
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40
|
2 550,72
|
30 608,64
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Fazit
Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Wer als Arbeitgeber attraktiv sein will, muss auch die Wünsche der Mitarbeiter berücksichtigen. Besonders qualifizierte Fachkräfte sind Mangelware. Wer eine gut bezahlte Festanstellung anbietet, hat bei der Suche nach Fachkräften sicherlich die Nase vorn. Ein Aspekt hat während der Coronapandemie besonders an Bedeutung gewonnen: Festangestellte haben im Gegensatz zu Minijobbern Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Für die Festanstellung spricht auch die Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit. Dennoch ist nicht für jeden Arbeitnehmer eine Festanstellung reizvoll.
Als Rentner oder für Personen, die aus familiären Gründen nur wenige Stunden in der Woche arbeiten können, ist ein Minijob attraktiver, da der Stundenlohn netto ausgezahlt wird. Dies gilt auch für Personen, die einen Hinzuverdienst zu ihrer Hauptarbeit suchen. Minijobber in der Familienphase benötigen zudem in der Regel keine Krankenversicherung, da die Familienversicherung greift. Eine Festanstellung lohnt sich vor allem dann, wenn man seine Krankenkasse selbst zahlen müsste. Sobald der Verdienst ab Oktober dauerhaft über 520 € liegt, ist man in einer Festanstellung, in der die Beiträge zur Sozialversicherung sehr gering sind. Minijobs sind aus Mitarbeitersicht recht unkompliziert, für Arbeitgeber aber nicht. Neben der Dokumentationspflicht und der Lohnabrechnung müssen Arbeitgeber aufpassen, dass die Minijobber nicht regelmäßig ihr Stundenkontingent überziehen.
Ansonsten zeigt unsere Berechnung: Für einfache Tätigkeiten, für die ab Oktober 12 € Mindestlohn gezahlt werden müssen, sind Aushilfen im direkten Vergleich teurer als fest angestellte Mitarbeiter. Es lohnt also für Direktvermarkter Jonas Paul auch, eine:n Mitarbeiter:in in Festanstellung einzustellen. Wer langfristig qualifizierte Mitarbeiter für sein Team sucht, sollte auf faire Bezahlung setzen. Denn zufriedene Arbeitnehmer sind motivierter und somit produktiver.
Brutto für netto?
Im Jahr 2022 dürfen Minijobber insgesamt 5 610 € verdienen (9 x 450 € plus 3 x 520 €). ab 2023 sind es 6 240 €.
Bisher galt die Aussage: „Bei Minijobbern wird der Mindestlohn brutto für netto angesetzt.“ Dies trifft so nicht mehr zu. Denn mittlerweile gilt auch für Minijobber eine Rentenversicherungspflicht. Allerdings ist es immer noch gängige Praxis, dass sich Aushilfen von dieser Pflicht befreien lassen. Als Arbeitgeber müssen Sie zwingend darauf achten, dass Sie die Rentenversicherungsbefreiung komplett ausgefüllt in den Unterlagen haben. Sozialversicherungsprüfer achten sehr genau darauf, ob alles vollständig vorliegt. Ist die Befreiung unvollständig oder fehlt die Unterschrift, drohen Nachzahlungen in der Sozialversicherung und ggf. Strafzahlungen.
Werden Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt, fällt der Stundenlohn natürlich niedriger aus. Eigene Beiträge einzuzahlen lohnt sich, um die Mindestbeitragszeiten in der Rentenversicherung zu erreichen.