Im Hofladen des Kartoffelhofs Schramm in Großengersdorf im Weinviertel fällt die Auswahl schwer. Da liegt die „Rosegarden“, eine rotschalige, neue Kultursorte aus Irland, neben „Nemo“, einer jungen Sorte aus Holland mit einer rotgelbgefleckten Schale. Dazu kommen alte Sorten wie die „Colorada de baga“, eine echte Urkartoffel von den Kanarischen Inseln, die ausgezeichnet schmeckt. Bei der „Kalber Rotstange“ mit tiefen roten Augen ist die Herkunft unbekannt, die „Black Princess“ wiederum ist eine wahrscheinlich englische Sorte, die sehr selten zu kaufen ist. Dabei überzeugt die hörnchenförmige violette Knolle mit einem weißen, leicht violett gefleckten Fruchtfleisch, das würzig und leicht nussig schmeckt. Christof Schramm kultiviert bis zu 40 verschiedene Kartoffelsorten, die sich vor allem durch Farbe und Form unterscheiden. „Für eine maschinelle Verarbeitung müssen Kartoffeln Standards wie Form und Größe erfüllen, der Geschmack bleibt da manchmal auf der Strecke. Mir ist es aber wichtig, die Vielfalt an Kartoffeln wieder aufleben zu lassen“, erklärt der Landwirt seine Anbauvielfalt. Der Kartoffelhof Schramm liegt am Nordrand des Marchfeldes, dem „Gemüsegarten Wiens“. Durch die besondere Bodenbeschaffenheit und das Klima ist die Region ideal für den Kartoffelanbau.
Ein bunter Mix an Kartoffeln
Bei seltenen Kartoffelraritäten denken viel an alte Sorten, vor allem aus Südamerika. Gerade Europa hat eine lange Anbautradition und daher einen ungemeinen Sortenschatz, aber nicht jede Rarität muss automatisch eine alte Sorte sein. Viele neue Züchtungen überraschen mit Farbe, Form und Geschmack und finden trotzdem nicht den Weg in die Verkaufsregale der Supermärkte. Sie kann man nur beim Direktvermarkter kaufen. Christof baut sowohl traditionelle Raritäten wie auch neue Züchtungen an. Seiner Erfahrung nach sind neue Züchtungen ertragreicher, oft robuster und weniger krankheitsanfällig. Die unterschiedlichen Sorten bezieht der Landwirt unter anderem von der Arche Noah, einem Verein, der sich seit über 30 Jahren für den Erhalt und die Entwicklung der Kulturpflanzenvielfalt einsetzt. Die verschiedenen Raritätenbauern tauschen aber auch gegenseitig Saatgut.
Wodka und Gin vom Feinsten
Vor über zehn Jahren hat der gelernte Tischlereitechniker den Betrieb übernommen, da sein Herz für die Landwirtschaft schlägt. Inzwischen wird der Kartoffelhof biologisch geführt. Christof ist aber weit auf der Welt herumgekommen und hat sich die Landwirtschaft in den unterschiedlichsten Ländern angesehen und besuchte dazu Deutschland, Schweden, Dänemark sowie Mauritius, Russland und Sibirien. Auf seinen vielen Reisen quer über den Globus haben ihn besonders die großen Wodkabrennereien in Dänemark oder die unterschiedlichen Kartoffelsorten sowie Gin-Destillerien in England beeindruckt.
Nachdem der Landwirt die ersten Raritäten angebaut hatte, überlegte er sich, was man noch daraus herstellen könnte. Die Idee Wodka aus Kartoffeln und nicht wie üblich aus Getreide herzustellen, war geboren. Christof wollte die speziellen Aromen aus den Raritäten darin wieder finden. So tüftelte er drei Jahre lang zusammen mit dem erfahrenen Destillateur Josef Farthofer an der Maische. Heraus kam dabei der „Vodkart Premium Pure Rare Potato“. Sein duftiges, fruchtiges Aroma verdankt er den 15 verschiedenen Kartoffelsorten, dem Mühlviertler Urgesteinswasser und der hohen Brennkunst von Josef Farthofer. 3 bis 6 kg Kartoffeln werden für 0,5 l Wodka benötigt.
Auch im „Rare potatoe Gin“ ist der Geschmack von 15 Kartoffelsorten enthalten. Die geheime Mischung macht den Unterschied und bringt feine Geschmacksnuancen in den Gin. Sieben Botanicals wie Wacholder, Lavendel, Rosenblätter, Holunderblüten, Koriander, Kreuzkümmel und Kubebenpfeffer prägen den Charakter.
Die Ginherstellung unterliegt ähnlich wie beim Bier einem Reinheitsgebot. So steht die Bezeichnung „London dry“ für höchste Qualität und nicht für eine Herkunft. Dieses Prädikat trägt nur Gin, der auf nachträgliche Süßung, Färbung und Aromatisierung verzichtet. Selbstverständlich dürfen dazu auch nur natürliche Botanicals destilliert werden. Da diese Art der Herstellung teurer ist und mehr Aufwand bedeutet, tragen nur wenige Gins dieses Prädikat. Der Gin von Christof Schramm ist „London dry“, und wird in aufwendiger Handarbeit hergestellt. Die Stückzahl ist wie beim Wodka begrenzt.
Raritäten mit Risiko
Seltene, alte oder besondere Sorten anzubauen bedeutet in vielen Jahren ein Ertragsrisiko. Ohne Bewässerung ist der Anbau kaum mehr möglich. „Jedes Jahr ist anders, letztes Jahr war die Erntemenge bei den Kartoffeln trotz Bewässerung sehr schlecht. Bei den Raritäten, bei denen der Ertrag viel niedriger als bei gängigen Sorten ist, verschärft sich das Problem und bedeutet eine nochmals deutlich kleinere Ernte. „Die ,Urandenkartoffel‘, die besonders buttrig schmeckt, haben wir in den letzten Jahren ständig selbst vermehrt und das eigene Saatgut für den Anbau verwendet. Das letzte Jahr hat die ganze bisher investierte Zeit und Arbeit vernichtet, denn wir hatten null Ernte bei dieser Sorte. Somit habe ich auch kein Saatgut mehr. Daher ist der Raritätenanbau immer mit einem gewissen Risiko verbunden, das sich oft nicht bezahlt macht“, erklärt der Landwirt.
Direktvermarktung bringt’s
Die meiste Wertschöpfung bleibt beim Verkauf im Hofladen, Hauptprodukte sind dabei die Kartoffeln. Während manche Kunden nur auf der Suche nach guten Kartoffeln sind, kommen andere gezielt wegen der Raritäten. Schramms vermarkten ihre Erdäpfel und weitere Produkte außerdem über ihren Online-Shop. Wer sich nicht für eine Knolle entscheiden kann oder noch nach seiner Lieblingssorte sucht, ist mit den bunten Mischungen bestens bedient. Im Hofladen gibt es beispielsweise Kilo-Beutel mit drei verschiedenen, im Online-Shop die Ernte-Vielfalt-Pakete mit sieben oder elf Sorten. Treue Fans gibt es zudem für die Spirituosen. Beim Wodka und Gin ist es ähnlich wie beim Weinkauf. Wer seinen Weinbauer gefunden hat, kauft bestimmte Sorten nur dort ein. „Einige Kunden kaufen die Spirituosen gezielt bei mir. Natürlich kommen immer wieder neue Kunden in den Hofladen, die einfach nur mal eine Flasche ausprobieren möchten“, erklärt Christof.
Momentan ist die Zeit für den Jungpapa etwas knapp, darum werden bestimmte Produkte wie die Sirupe oder die kalt gepressten Öle nicht hergestellt. Auch der gefragte Tonic Sirup muss warten, bis der Familienmensch wieder etwas mehr Zeit dafür hat. Doch für seine Erdäpfel nimmt er sich immer Zeit.
Betriebsspiegel
Christof (37), Landwirt, Tischlereitechniker und Werbefachmann, und Carina Schramm (33), Jonas (5) und Julian (2)
Großengersdorf im Weinviertel, etwa 25 km bis Wien
95 ha landwirtschaftliche Fläche
Kartoffeln auf bis zu 15 ha, Speisesoja, Sonnenblumen, Mais, Speisegetreide, Erbsen, Kräuter, Feldgemüse wie Kürbis oder Süßkartoffeln (Topinambur), kalt gepresste Öle, Sirupe, Gin, Wodka
Kartoffeln 1,48 €/kg, Raritäten zwischen 3,48 und 4,48 €/kg, Wodka 39 €/0,5 l, Gin 36,90 €/0,5 l.
Hofladen, Öffnungszeiten montags bis sonntags 7.30 bis 20 Uhr; Lieferung an Gastronomie und Bioläden, Wochenmärkte in Wien, Onlineshop
zeitweise einige Saisonarbeiter
www.kartoffelsorten.at