Erntemengen erfassen, Lagerhaltung und Bestände im Blick haben, Liefertouren planen, dazu die Rechnungs- und Kassenverwaltung und eventuell die Onlinevermarktung – das sind nur einige Funktionen moderner Warenwirtschaftssysteme. Manche unterstützen auch bei Personalplanung und Zeiterfassung. Richtig angewendet helfen Warenwirtschaftssysteme, Prozesse und Arbeitsabläufe im Betrieb zu optimieren – in der aktuellen Situation wichtiger denn je. Die vielen Funktionen und Einsatzbereiche zeigen aber auch: Das Programm muss zum Betrieb passen und das optimale Programm zu finden kostet Zeit. Außerdem ist eine komplexe Software auch eine Investition, die sich unterm Strich amortisieren muss. Mit diesem Artikel starten wir die Serie „Warenwirtschaft, Webshops und Verkaufsplattformen“ (siehe Kasten) und geben zunächst einen Überblick, was Warenwirtschaftssysteme können und welche Arten von Systemen es gibt.
Warenströme steuern
Das ist quasi die Kernfunktion eines Warenwirtschaftssystems. Es erfasst, plant, verwaltet und steuert sämtliche Warenströme bis hin zum Abverkauf. Außerdem analysiert es Bestände und Warenbewegungen. In der Direktvermarktung wäre dies beispielsweise die Mengenerfassung bei der Obsternte oder die erfolgte Schlachtung, aber auch der Zukauf nicht selbstproduzierter Produkte für den Hofladen. Im Gegenzug wird der Warenausgang abgebildet: Welches Produkt wurde in welcher Menge verkauft? Damit verbunden gibt die Warenwirtschaft einen Überblick über die Lagerhaltung und Bestände. Dann muss niemand mehr ins Lager laufen und schauen, ob von dem Erdbeer-Fruchtaufstrich noch etwas vorrätig ist. Das Kassensystem sollte direkt an die Warenwirtschaft angeschlossen sein, denn dann werden bei jedem Verkauf, egal ob im Hofladen, im Webshop, auf der Liefertour oder am Marktstand, die Bestände im System direkt angepasst. Außerdem können je nach Vermarktungsweg für ein Produkt auch unterschiedliche Preise hinterlegt werden.
Serie: Warenwirtschaft
Die Serie „Warenwirtschaft, Webshops und Verkaufsplattformen“ in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz geht den Fragen nach: Was können Warenwirtschaftssysteme? Wie finde ich das richtige Programm für meinen Betrieb? Welche Funktionen bietet welcher Anbieter? Unter welchen Voraussetzungen werden die Systeme optimal genutzt? Dazu bietet die Kammer RLPaußerdem ein besonderes Beratungsangebot.
Ein System für alles
Ein gutes Warenwirtschaftssystem bietet Schnittstellen, beispielsweise zu Buchhaltungssoftware, Onlineshop-Programmen oder zu Kassensystemen. Oder: Diese Funktionen ergänzen als Modul das Warenwirtschaftssystem. Mögliche Beispiele hierfür sind:
- Onlineshop: Erstellung eines Onlineshops, Möglichkeiten für Probe-, Einzel- und Abo-Bestellung, zentrale Datenpflege für Hofladen und Onlineshop, Versandabwicklung,
- Deklaration und Etikettierung: Datenübernahme direkt aus Rezepturen,
- Liefer- und Tourenplanung: Touren- und Fahrzeugplanung, Beladungslisten, Mitarbeiterplanung,
- Zeiterfassung: Dokumentation von Arbeits- und Pausenzeiten, personenbezogene Erfassung,
- Mengenerfassung: Erfassung von Erntemengen, Ernteerfassung je Mitarbeiter,
- Vermarktung: Verwaltung von Verkaufsstellen, Kundenverwaltung, Planung von Infomails an Kundengruppen,
- Kassensystem: bereits integriert ins System oder Kassenstation mit Schnittstellenanbindung, mobile Kassenlösungen.
Je umfassender die Software und deren Funktionen sind, desto stärker entwickelt sich das Programm zu einem sogenannten ERP-System. ERP steht für „Enterprise Ressource Planning“. Es bedeutet, dass alle Unternehmensbereiche in einem Softwaresystem verwaltet werden, also zusätzlich zu den Warenprozessen etwa Produktionsprozesse, die Personalplanung, die Arbeitszeiterfassung oder die Verwaltung von Kundendaten. Die Grenzen zwischen Warenwirtschafts- und ERP-Systemen sind mittlerweile sehr unscharf, da moderne Warenwirtschaftsprogramme immer mehr ERP-Bereiche abdecken.
Offen oder geschlossen?
Es gibt drei verschiedene Grundarten eines Warenwirtschaftssystems.
- Bei einem geschlossenen Warenwirtschaftssystem werden alle Kernbereiche, wie Produktion, Einkauf, Lager, Vertrieb, von dem System abgedeckt. Geschlossene Systeme erfassen somit den gesamten Warenfluss in allen Phasen von der Disposition bis zum Warenausgang, und zwar mengen- und wertmäßig.
- Ein offenes Warenwirtschaftssystem erfasst lediglich Warenein- und ausgänge. Hier wird mindestens einer der Kernbereiche nicht durch das System, sondern durch ein Drittsystem (externes Tool) abgedeckt. Die fehlenden Funktionen können mithilfe von Schnittstellen an das offene Warenwirtschaftssystem angebunden werden.
- Bei einem integrierten Warenwirtschaftssystem sind alle Kernmodule vorhanden. Zusätzlich existieren Konnektoren, also Verbindungen nach außen, etwa zu Lieferanten/Kunden, Logistik-Dienstleistern, Onlinehandel oder Banken. Mithilfe solcher Konnektoren kann beispielsweise der LEH seine nächste Bestellung direkt ins System des Direktvermarkters eingeben.
Betriebsintern oder Cloud?
On-Premise-Software oder Cloud-basierte Anwendung? So genannte On-Premise-Software wird im eigenen Netzwerk des jeweiligen Betriebs installiert und betrieben. Die Verwaltung der Daten und Prozesse erfolgt im eigenen Haus. Bei On-Premise befinden sich die Daten somit nicht auf extern gehosteten Servern, sondern werden intern verwaltet. In der Regel kauft man eine Lizenz für eine bestimmte Software. Installierte Lösungen können als Einzellösung an einem PC-Arbeitsplatz oder als Netzwerklösungen für verschiedene Arbeitsplätze im Betrieb genutzt werden, etwa im Büro oder im Hofladen. Die Daten verbleiben im Betrieb, und der ist auch für die Datensicherung sowie die Pflege des Netzwerks verantwortlich. Updates müssen vom Nutzer selbst aufgespielt werden. Der Zugriff auf die Daten ist nur innerhalb des Netzwerkes möglich und nicht zum Beispiel vom Marktstand aus. Ein Vorteil dieser Systeme: Der Abruf der Daten ist auch ohne Internet möglich und damit eine Lösung für ländlich gelegene Betriebe mit schlechtem Internet.
Bei einer Cloud-basierten Software liegen die Daten auf externen Servern des Anbieters. Eine gute Internetanbindung ist Pflicht. Cloud-basierte Programme benötigen keine betriebseigenen Server und bedeuten weniger Aufwand bei der Daten- und Programmverwaltung. Die Verantwortung für die Datensicherung liegt beim Softwareanbieter. Der Speicherplatz ist sicher und unbegrenzt. Um auf die Daten zugreifen zu können, sind internetfähige Endgeräte erforderlich. Bei dieser Lösung kann der Nutzer von jedem Standort innerhalb und außerhalb des Betriebes auf die Daten zugreifen oder einpflegen. Der aktuelle Warenbestand am Erdbeer-Verkaufsstand ist beispielsweise auf einen Klick sichtbar, eine Nachlieferung kann auf den Weg gebracht werden.
Fazit
Ein gutes Warenwirtschaftssystem unterstützt die Prozesse vom Wareneingang über die Lagerhaltung bis zum Verkauf. Sämtliche Daten eines Produkts stehen den direktvermarktenden Betrieben in allen Prozessphasen zur Verfügung. Gute Warenwirtschaftssysteme bieten Schnittstellen zu externen Programmen, beispielsweise zu Buchhaltungsprogrammen oder zum bereits bestehenden Onlineshop oder stellen die entsprechenden Schnittstellen bereit. Zudem zeigen umfangreiche Statistiken und Berichte, wie effizient die Warenwirtschaft im Betrieb funktioniert.
Wenn das Programm „läuft“, profitieren Betriebe von reibungslos ablaufenden Prozessen, zum Beispiel bei der Tourenplanung mit entsprechender Kommissionierung, der Personalplanung einschließlich Arbeitszeiterfassung, der Barkassenführung oder der Buchhaltung. Fehler und Unstimmigkeiten reduzieren sich, Personalkosten können eingespart werden. Zudem helfen die im System gewonnenen Daten bei der Zukunftsplanung.
Auf einen Blick: Vorteile Warenwirtschaftssysteme
- Einkauf/Beschaffung – Produkte werden im System erfasst; Erstellung elektronischer Lieferscheine; Ausgabe von Statistiken über gut gehende Artikel und Ladenhüter (Renner-Penner-Listen),
- Lagerhaltung – Transparenz über Lagerhaltung auf Artikelebene; jederzeitige Prüfung, wo welcher Artikel lagert,
- Verkauf – Anbindung von Shop- und Kassensystemen, auch für den mobilen Verkauf,
- Controlling – detaillierte Auswertung und Statistiken, liefert wichtige Daten für die weitere Planung,
- Inventur/Jahresabschluss – schnelle Inventur, Lagerfehlbestände nachvollziehbar,
- Einhaltung gesetzlicher Vorgaben – korrekte Etiketten, richtige Rechnung, ordnungsgemäße Kassenführung (GodB),
- Zeitersparnis – Optimierung der Betriebsabläufe, höhere Effizienz und Transparenz.