„Eine oder zwei Filialen mehr, das könnte ich mir gut vorstellen“, sagt Caroline Kunze. Die 41-jährige ist seit 2018 Vorständin der Agrargenossenschaft Bucha in Thüringen. Im Umkreis von rund 30 km betreibt das Unternehmen acht Fleischerfachgeschäfte, die zum Teil unterschiedlich aufgestellt sind: am Stammsitz in Bucha mit Kantine und Rost, in Magdala im Vorkassenbereich des örtlichen Edeka oder als klassisches Fleischerfachgeschäft mit kleinem Ergänzungsortiment in Jena oder Weimar. Fleisch und Wurst stammen aus der hofeigenen Fleischerei, vier Lieferfahrzeuge sorgen für stets gut gefüllte Theken.
Lieferung zwei Mal täglich
Die Verarbeitung in der hofeigenen Fleischerei ist die Basis der Fleischvermarktung. Pro Woche verarbeitet das Team um die drei Fleischermeister 60 bis 70 Schweine, ein Rind und xx Lämmer zu allen Arten von Teilstücken und Wurstwaren. Morgens zwischen 3 und 4 Uhr beginnen die Mitarbeiter in der Fleischerei, damit die Filialen pünktlich zur Ladenöffnung ihre Ware erhalten. Das Geschäft in Magdala öffent bereits um 7 Uhr, in Bucha und Weimar erst um 9 Uhr. Spätestens eine halbe Stunde vor Ladenöffnung soll die Ware in Geschäft sein, damit das Verkaufspersonal Zeit hat, die Theke einzuräumen. Vier Lieferfahrzeuge sind im Einsatz. Bis Mittag können die Verkäuferinnen Fleisch und Wurst für die 2. Lieferung des Tages nachbestellen.
Bestellung und Kommissionierung laufen über das Warenwirtschaftssystem Foodware-Factory. Es ist auch an das Kassensystem gekoppelt. Damit sind Mengen und Warenströme immer im Blick und die Produktion kann entsprechend angepasst werden. Die Warenwirtschaft ist damit ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Direktvermarktung. Ein weiterer Punkt: Die Rezepturen sind transparent ebenso wie der Arbeitsaufwand, damit die Kosten genau ermittelt werden können. „Wir kalkulieren jedes Produkt und passen die Berechnungen immer wieder an“, erklärt Caroline Kunze. Anders als im Familienbetrieb, wo so manche Arbeitsstunde als „Eh da-Kosten“ verbucht wird, muss im Agrarunternehmen jede Arbeitsstunde bezahlt werden. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: „Unsere Mitarbeiter tragen die Direktvermarktung. Sie sind mit vollem Einsatz dabei“, betont die Agraringenieurin.
40 Personen gehören zum Verkaufsteam
80 der 125 Mitarbeiter der Agrargenossenschaft sind in der Direktvermarktung tätig. Das zeigt den Stellenwert des Betriebszweigs, der rund zwei Drittel zum Betriebseinkommen beisteuert. Die Beschäftigten arbeiten im Catering, in der Fleischerei oder als Fahrer. Allein 40 Personen gehören zum Verkaufsteam. Pro Filiale gibt es eine Filialleitung und eine Stellvertretung. Hinzu kommen zwei bis drei Verkaufskräfte. In der Regel stehen pro Schicht zwei Mitarbeiter:innen hinter der Theke.
Buchaer Fleisch- und Wurstwaren gibt es nicht nur in den acht Geschäften. Dienstags bis freitags sind rund um Bucha die drei Verkaufsfahrzeuge der Genossenschaft on Tour und fahren die vielen kleinen Ortschaften an. Das ist ein dankbares Geschäft, denn gerade die älteren Kunden freuen sich über die Einkaufsmöglichkeit vor Ort. Die Verkaufsfahrer:innen sind mit Herzblut dabei: „Das ist mein Wagen und das machen wir für unsere Kunden.“ Das begeistert auch Caroline Kunze: „Sie machen einen Superjob.“ Über den Fortbestand macht sie sich jedoch keine Illusionen: „Unsere drei Fahrer sind um die 60. Die rollenden Fleischereien werden auslaufen, denn wir werden keine Nachfolger für unser Fahrerteam finden.“ Deshalb würde die Agraringenieurin gerne noch ein, zwei weitere Filialen eröffnen – im ländlichen Raum, wie die zuletzt hinzugekommene Filiale im 1 300-Einwohner-Ort Weißenborn/Bad Klosterlausitz. Die nahe gelegenen Städte Jena oder Weimar sind zwar attraktiv, aber die Ladenmieten um ein Vielfaches höher.
Starke Partner
Die Rinder stammen aus der eigenen Mutterkuhhaltung, Schweine und Lämmer von Partnerbetrieben. Dabei zählen kurze Wege. Bis vor Kurzem mästeten die Buchaer ihre eigenen Schweine. Doch der Stall aus DDR-Zeiten entsprach nicht mehr den Anforderungen und der Umbau wäre zu kostenintensiv gewesen. Jetzt stammen die Schweine aus der Thüringer Agrargenossenschaft Bollstedt bei Mühlhausen. Dort lässt die Agrargenossenschaft Bucha in ihrem Auftrag Duroc-Schweine im Strohstall großziehen.
In Mühlhausen, nur 12 km von Bollstedt entfernt, befindet sich auch der Schlachthof, sodass die Tiere auf kurzem Weg geschlachtet werden können. Eine besondere Partnerschaft existiert beim Lamm. Die Tiere stammen von der Schäferei Keuler in Altendorf. Bis dahin sind es 14 km. Christian Keuler führt den Betrieb gemeinsam mit seinem Bruder und ist außerdem als Fleischermeister bei der AGB Bucha tätig. Die Buchaer sind stolz auf ihr ganzjähriges Lammwurstangebot, wie die Lammknackwurst, die Lammsülzwurst, den Lammroster oder den Schäferstock, die wie ein Spazierstock gebogene Knackwurst. Christian Keuler schlachtet die Tiere im eigenen Betrieb, die Verarbeitung erfolgt in Bucha.
„Wir sind ein großer Betrieb, aber wir können trotzdem nicht alles selbst machen. Deshalb setzen wir in der Direktvermarktung auf Kooperationen“, betont Caroline Kunze. Um Fleischerei und Filialen richtig auszulasten und stets das komplette Angebot vorhalten zu können, kaufen die Buchaer außerdem Fleisch von Rind und Schwein zu. „Ohne Zukauf geht es nicht“, stellt die Vorständin klar. Wichtig ist ihr dabei die „Thüringer Kette“, also der Zukauf von Betrieben aus der Region. Mit diesem Konzept sieht sie das Unternehmen für die Zukunft gerüstet.