Jeder Schnitt sitzt. Hochkonzentriert zerlegt Biolandwirt Alexander Kern aus dem hessischen Mossautal an diesem Morgen 130 Weidehähnchen in Teilstücke. Die Tiere hat er am Vortag geschlachtet und über Nacht im Kühlhaus gelagert.
Vermarktung von Teilstücken
Früher musste der Odenwälder seine Hähnchen bis zu drei Stunden zum Schlachter fahren, da es in der Region Odenwald keine Schlachtmöglichkeit mehr für Geflügel gab. Um den Tieren diesen Stress zu ersparen, investierte er 100 000 € in eine besondere Lösung: Seit gut einem Jahr besitzt der 30-Jährige einen mobilen Schlachthof, und zwar europaweit das erste EU-zertifizierte Geflügelschlachtmobil überhaupt.
Die Entscheidung für diese Investition erforderte einen kühlen Kopf. Denn erst fünf Jahre zuvor kaufte der junge Direktvermarkter gemeinsam mit seinem Vater die heutige Hofstelle, die zuvor seit 1982 stillgelegt war. Dabei fokussiert er sich schwerpunktmäßig auf die Produktion und Vermarktung von Hähnchen, Schweinefleisch, Wurst, Rindfleisch sowie Kartoffeln.Eine Schlachteinheit für Geflügel in die vorhandene Gebäudestruktur zu integrieren, erschien dem Landwirt zu teuer und arbeitsintensiv. Keine Option war ein klassisches Schlachtmobil ohne EU-Zulassung. Der Gesetzgeber erlaubt hiermit lediglich den Absatz von ganzen geschlachteten Tieren an Wiederverkäufer und Endkunden und nicht aber von Wurst und sonstigen verarbeiteten Produkten.
Rollender Mini-Schlachthof
„Um die Teilstückvermarktung der Weidehähnchen an Bioläden und Endkunden voranzubringen, kam nur ein EU-zertifiziertes Geflügelschlachtmobil infrage“, begründet Alexander Kern seine Entscheidung. Fündig wurde der Biolandwirt in Österreich bei der Gesellschaft für Beratung zur mobilen Schlachtung mbH.
Von außen wirkt das Schlachtmodul unscheinbar. Es misst 8 x 2,40 m und besteht aus einem Zweiachs-Anhänger mit einem Kofferaufbau aus Sandwichpaneelen. Innen ist es auf einer Fläche von 19 m2 voll ausgestattet, um bis zu 600 Stück Geflügel pro Tag nach strengen Standards schlachten und verarbeiten zu können. Es ist in vier Zonen aufgeteilt: Ein unreiner Bereich dient für die Schlachtung und der reine Bereich zum Zerlegen, Verpacken und Vakuumieren. Eine vollausgestattete Hygieneschleuse trennt die beiden Arbeitszonen voneinander. Zusätzlich ist der Schlachtanhänger mit einem knapp 4,5 m2 großem Kühlhaus eingerichtet. Die Software der Betäubungsanlage erfüllt die strengen EU-Vorgaben und die Hähnchen werden hängend ausgenommen.
Genuss mit gutem Gewissen
Wöchentlich schlachtet Alexander Kern aktuell 100 bis 150 Hähnchen mit einem durchschnittlichen Schlachtgewicht von 2 kg pro Stück. Dafür benötigt er etwa 2,5 bis 3 Stunden. Bis die Tiere schlachtreif sind, verbringen sie die ersten fünf Lebenswochen im Aufzuchtstall, anschließend folgt eine 12- bis 14-wöchige Endmastphase im Mobilstall mit täglichem Weidegang und viel frischer Luft. Verfüttert wird ausschließlich frisch geschrotetes Bio-Futter aus der eigenen Futtermühle. Etwa 90 % seiner Hähnchen vermarktet er zerlegt, den Rest halbiert oder am Stück. „Während ich die Hähnchen zerlege, unterstützt mich meine Freundin Frenzie oder eine andere Mitarbeiterin beim Verpacken und Vakuumieren der Teilstücke“, berichtet der Direktvermarkter.
Rund 80 % seiner Teilstücke setzt er über mehrere Bioläden in der Region sowie drei inhabergeführte Edeka-Märkte ab, den Rest verkauft er an Endkunden ab Hof oder über seine drei Abholstellen.Kerns Weidehähnchen kosten im Verkauf ganz oder halbiert 15,90 € pro kg. Der Verkaufspreis für Hähnchenschenkel im 2er-Pack liegt bei 17,90 € pro kg, Brust kostet im 1er- oder 2er-Pack 34,90 € je kg und Flügel im 4er-Pack 9,90 € pro kg. Darüber hinaus bietet der Vermarkter Drumsticks, sprich Unterkeulen, im 2er-Pack für 19,90 € pro kg und Steaks (Oberkeule ohne Knochen) im 2er-Pack für 29,90 € pro kg an. „Die Karkasse verkaufe ich als ,Minisuppenhuhn‘ für 2,90 € pro Stück“, erzählt der Geschäftsmann. Es freut ihn sehr, dass dieses Angebot für eine leckere Suppe oder ein Frikassee gefragt ist. Auch für die Innereien wie Leber, Magen, Herz sowie die Hähnchenhälse hat der Direktvermarkter inzwischen Stammkundschaft aufgebaut.
Lohnschlachtung nimmt Druck
Landwirte und Hobbyhalter in der Region sind erleichtert, dass Alexander Kern Geflügelschlachtungen im Lohn anbietet. Inzwischen zählt er etwa 20 landwirtschaftliche Betriebe und bis zu 30 Hobbyhalter zu seinem Kundenkreis. „Ab einer Menge von 180 bis 200 Tieren fahre ich raus auf die Höfe“, erklärt der Biolandwirt. Kleine Einheiten schlachtet er ausschließlich vor Ort auf seinem Betrieb. Hierfür müssen Hobbyhalter ihre Hähnchen, Hühner oder Gänse dienstags bis 7 Uhr anliefern. Kern berechnet pro Hähnchen oder Suppenhuhn inklusive Schlachten, Ausnehmen und Herunterkühlen 3,50 € pro Stück. Ab einer Bestellmenge von 30 Stück zerlegt und verpackt er das Geflügel auf Wunsch. Das komplette Servicepaket kostet 5 € pro Tier.
Betriebsspiegel
- Betriebsleiter: Alexander Kern (30), Landwirtschaftsmeister
- Lage des Betriebs: Das Mossautal liegt im Herzen des Odenwaldes, in Hessen, etwa 50 km von Frankfurt entfernt.
- Landwirtschaft: Bioland, etwa 7 800 Weidehähnchen pro Jahr, Legehennen und Bruderhähne, Mutterkuhherde, 18 Rinder, 25 Schweine, etwa 17 ha Grünland, 8 ha Ackerfläche, Geflügel-Lohnschlachtung
- Vermarktung: Seit 2018 Direktvermarktung
- Produkte: Hähnchen: 90 % als Teilstücke, der Rest am Stück, Suppenhühner, Eier, Schweinefleisch und -wurst, Rindfleisch, Kartoffeln
- Absatzwege: Ab Hof, 3 Abholstellen (Mossautal, Hoxhohl und Bensheim), Bioläden, 3 inhabergeführte Edeka-Märkte
- Öffnungszeiten Hofverkauf: Samstags von 9 bis 13 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung
- Mitarbeiter: 2 Teilzeitkräfte, 5 Aushilfen