Zurück

Tierwohl

Direktvermarktung im großen Stil

Carl-Hendrik May stellte seine konventionelle Schweinemast ein und baute einen neuen Strohstall. Heute vermarktet er 15 Schweine in der Woche direkt.

Carl-Hendrik und Simona May wollen eine maximale Wertschöpfung mit ihren Schweinen erzielen. (Bildquelle: Farina Schildmann, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Auf dem Hof May sollen demnächst keine Lkws mehr ­anrollen, um die Schweine zum Schlachthof zu transportieren. Denn Simona (36) und Carl-Hendrik May (42) aus Drensteinfurt-Ameke in NRW wollen das Schlachten und die Vermarktung ihrer Schweine bis zur fertigen Wurst komplett selbst in die Hand nehmen. „Wir möchten eine maximale Wertschöpfung mit den Tieren auf unserem Hof erzielen“, beschreibt Simona May das Konzept. Mit eigenem Schlachtraum und Metzgerei ist der erste Schritt dahin bereits gemacht.

Viele Absatzwege

Der Verkauf direkt an Endkunden hat auf dem Hof Tradition. Carl-Hendriks Mutter Paula May (72) betreibt seit über 20 Jahren ein Café und eine Bäckerei. Die selbst gebackenen Brote und Kuchen verkauft sie auf verschiedenen Wochenmärkten im Münsterland. 2010 hat Carl-Hendrik May den Betrieb übernommen. Der Agrar­ingenieur führte den Hof mit Schweinemast und Ackerbau zunächst im Nebenerwerb.

Den ersten Schritt in Richtung Vollerwerb wagten die Mays 2018, als sie in einen Mobilstall für Legehennen investierten. Das Geschäft mit den Mobileiern lief so gut, dass sie mittlerweile auf 3500 Hennen aufgestockt haben.

Weil die Freilandhaltung bei den Eierkunden gut ankam, wollte das Ehepaar das Konzept auch auf ihre Schweine übertragen. Bis dato mästeten sie ganz konventionell im Vollspaltenstall. Die Familie testete den Plan zunächst in einem Altgebäude mit 250 Mastplätzen auf Stroh samt Auslauf. Der Probelauf klappte so gut, dass 2021 der Spatenstich für den neuen Schweinestrohstall fiel.

Mit Eiern, Fleisch- und Wurstwaren konnten Mays ihr Angebot auf den Wochenmärkten gut ergänzen. Da das Hofcafé viele Gäste anzieht, eröffnete das Ehepaar 2020 zusätzlich einen Hofladen. Hier finden die Kunden neben Fleisch, Wurst und Eiern auch Brot, Nudeln, Konfitüren und fertige Gerichte wie Rouladen im Glas. Hinzu kommen Milch, Gemüse und Kartoffeln von Landwirten aus der Umgebung. „Zugpferd des Ladens sind aber ganz klar die Fleischprodukte“, weiß Agraringenieurin Simona.

„Wir möchten bei der Vermarktung unabhängig bleiben und setzen deshalb auf verschiedene Absatzkanäle“, beschreibt Carl-Hendrik May die Strategie. Deshalb sind die Produkte auch in regionalen Supermärkten, in Restaurants und demnächst auch in einem Onlineshop erhältlich. Eine kleine Auswahl finden die Kunden außerdem rund um die Uhr in einem Verkaufsautomaten am Hof.

Für die Vermarktung ihres Tierwohlfleisches gehen Mays aber auch ganz neue Wege. Seit Kurzem können die Gäste in der VIP-Lounge des 1. FC Köln Leckereien aus Ameke genießen. Den Preis für die Produkte kalkuliert der Betriebsleiter anhand der Produktionskosten: „Ich orientiere mich nicht an der Schweinepreisnotierung. Schließlich muss sich unser Tierwohlfleisch wirtschaftlich rechnen.“ Eine Grillwurst kostet zum Beispiel 1,50 € und Schinkenwurst 17 € pro kg.

Schlachten auf dem Hof

Montags ist auf dem Hof May Schlachttag. Im alten Strohschweinestall ist mittlerweile die Endmast der Schweine untergebracht. Von hier aus müssen die Tiere nur um die Ecke laufen, um in den Schlachtraum zu gelangen. Der kurze Weg zahlt sich aus: „Wir können unsere Tiere so möglichst stressfrei schlachten. Das ist nicht nur gut fürs Tierwohl, sondern auch positiv für die Fleisch­qualität“, weiß Carl-Hendrik May. Jeden Montag kommen 15 Tiere an den Haken – Tendenz steigend. Das Schlachten übernehmen zwei angestellte Metzger.

Einen Teil der Schweine vermarktet das Ehepaar derzeit noch konventionell. „Demnächst wollen wir aber alle Schweine selbst schlachten. Unsere Kapazitäten im Schlachthaus und der Metzgerei sind auf 30 bis 35 Tiere pro Woche ausgelegt“, erklärt der erfahrene Mäster seine mittelfristigen Pläne. Die Hälfte der selbst geschlach­teten Schweinehälften verkaufen Mays an feste Handelspartner. Den anderen Teil zerlegen die Metzger immer dienstags in der hofeigenen Metzgerei, die sich direkt nebenan befindet und seit Ende 2022 in Betrieb ist.

Ab mittwochs geht es dann an die Verarbeitung. Ziel dabei ist, das Schwein möglichst vollständig zu verarbeiten. „Dafür haben sich unsere experimentierfreudigen Metzger eine breite Palette von Wurstsorten einfallen lassen“, freut sich Simona. Auch die Kunden steuern ausgefallene Ideen bei. So gibt es je nach Saison zum Beispiel Spargelbratwurst oder Fenchelsalami zu kaufen. Die Renner im Laden sind aber Klassiker wie Rostbratwurst und Wiener Würstchen.

Maximale Transparenz

Den höheren Preis für die Produkte zahlen die Kunden nur, wenn sie von Haltungsform und Fleischqualität überzeugt sind. Deshalb öffnet Familie May jeden ersten Samstag im Monat die Stalltore. Nach der Besichtigung können die Besucher im Hofladen einkaufen oder eine Wurst vom Grill genießen. „Das kommt vor allem bei Familien mit Kindern gut an, die ein Ausflugsziel suchen“, weiß Simona.

Außerdem sehen die Kunden per Live-Übertragung im Hofladen, dass es den Schweinen im Stall gut geht. Auch in der Metzgerei setzen Mays auf Transparenz: Durch eine große Glasscheibe können Besucher den Metzgern jederzeit bei der Arbeit zuschauen.

Die viele Arbeit auf dem Hof kann das Ehepaar natürlich nicht alleine stemmen. Für die unterschiedlichen Betriebszweige braucht es spezielles Know-how. „Wir haben Experten für Landwirtschaft. Fleischverarbeitung, Verkauf und Kochen im Team“, freut sich Simona May. Insgesamt gehören so fünf Festangestellte und zwei Azubis zum Personal. „Wir bilden unseren Nachwuchs selbst aus. So wirken wir dem Fachkräftemangel ent­gegen“, hoffen Simona und Carl-Hendrik.

Dieser Beitrag erschien zuerst in top agrar.

Immer bestens informiert mit dem HOFdirekt Newsletter!

Erhalten Sie jeden Dienstag die wichtigsten Meldungen kostenlos per E-Mail direkt von der HOFdirekt-Redaktion. Abmeldung jederzeit möglich. Ihre Daten geben wir selbstverständlich nicht weiter.