Rein rechtlich sieht die Sache so aus: Den Kaufpreis können Sie nur verlangen, wenn über den Erwerb der Sache ein Kaufvertrag geschlossen worden ist. Dieser muss nicht schriftlich oder notariell erfolgen, es reicht auch sogenanntes „schlüssiges Verhalten“, also ein Verhalten, mit dem Verkäufer und Käufer kenntlich machen, dass sie einen Kaufvertrag schließen wollen. Wenn ein Kunde Ware verköstigt, können Sie im Allgemeinen darauf schließen, dass er diese auch erwerben und bezahlen will.
Bei Kindern sieht das aber anders aus, weil diese nicht geschäftsfähig sind und daher ohne die Zustimmung oder Genehmigung der Eltern keine Kaufverträge schließen können, zumindest solange sie noch nicht sieben Jahre alt sind und die Regelung des Taschengeldparagraphen nicht eingreift. Da ein Kind, das bei Ihnen einen Apfel oder eine Möhre aus der Auslage nimmt, aber nicht davon ausgehen wird, diesen von seinem Taschengeld bezahlen zu müssen, fehlt es hier schon an den wesentlichen Vertragsgrundlagen mit dem Kind. Mit den Eltern wird nicht automatisch ein Kaufvertrag geschlossen, wenn ein Kind sich einen Apfel nimmt. Wenn ein Kind Ware nimmt und isst, ohne Wissen und Wollen der Eltern, kommt mit diesen auch kein wirksamer Vertrag zustande.
Es bleibt aber noch ein Schadenersatzanspruch. Das klingt vielleicht überzogen, aber das Zivilrecht unterscheidet nicht zwischen Äpfeln und Autos. Wenn ein Kind also einen Apfel beschädigt, indem es reinbeißt, ohne durch einen gültigen Kaufvertrag Eigentümer des Apfels geworden zu sein, macht sich das Kind oder die Eltern unter Umständen schadenersatzpflichtig. Eine Haftung kommt für Kinder erst ab dem siebten Lebensjahr infrage, eine Haftung der Eltern für das Kind nur dann, wenn den Eltern eine Aufsichtspflichtsverletzung vorgeworfen werden kann. Eltern haften aber nicht grundsätzlich für ihre Kinder. Hier kommt es darauf an, ob die Eltern damit rechnen müssen, dass ihr Kind einen Schaden verursacht oder nicht. Je nach Alter und Einsichtsfähigkeit des Kindes kann der notwendige Grad der Beaufsichtigung ganz anders ausfallen. Wenn Eltern aber wissen oder sehen, dass der Nachwuchs gerade dabei ist, fremdes Eigentum mittels Milchzähnen zu beschädigen, müssen sie einschreiten ansonsten liegt eine Aufsichtspflichtsverletzung vor.
Als Gegenanwalt in einem Prozess wegen Schadenersatz würde ich hier aber einwenden: Sie haben ein Mitverschulden. Wenn Sie nämlich üblicherweise Kindern einen Apfel oder eine Möhre geben und Kinder und Eltern das wissen, dann kann es sein, dass sowohl Eltern wie auch Kind davon ausgehen, dass das Nehmen des Apfels mit Ihrem Einverständnis erfolgt, und damit überhaupt keine Aufsichtspflichtsverletzung der Eltern vorliegt.
Dierk Straeter (HOFdirekt 3/2010)